 | Das UND-Prinzip leben: Komplexität lieben und leben, es aber nicht kompliziert machen Dagmar Begemann im Interview mit Oliver Schippers | Das UND-Prinzip – so kann man unsere Charta der Natürlichen Gemeindeentwicklung in Deutschland zusammenfassen. Wie leben Menschen das UND, was bedeutet es, „wir salzen und leuchten, um die Welt auf den Geschmack Gottes zu bringen“. Im Interview Dagmar Begemann. Sie leitet das Mehrgenerationenhaus in Lemgo, … (die diakonische „Pfeilspitze“ der Ev. Kirchengemeinde St. Pauli). Deine Aufgaben als Leiterin des MGH sind sehr vielfältig: Ehrenamtliche motivieren, Mitarbeiter leiten, mit Politikern den Kontakt suchen, … das bedeutet viele unterschiedliche Interessen im Blick haben. Kannst du gut mit den darin liegenden Spannungen umgehen oder wünschst du es dir nicht ab und an etwas einfacher? Ich halte mich für jemanden, der gut mit Spannungen umgehen kann. Die möchte ich nicht vereinfachen. Was mich herausfordert ist die Vielsprachigkeit. Ich merke, jede Partei, jede Organisation und jedes Ministerium hat ihren eigenen Sprachgebrauch. Kommunizieren heißt dann, diese jeweilige „Sprache“ zu sprechen. Andernfalls wird man nicht gehört. Durch den Tag zu gehen und diese vielen „Sprachen“ zu sprechen ist nicht immer einfach.
Inwieweit fordert dich unsere Charta heraus? Was sind deine Gedanken, wenn du unsere Werte liest? Ich spüre, dass ich einen klaren Pol habe. Ich bin jemand, der Dynamik und Veränderung möchte. Das, was ihr mit „Radikale Balance“ beschreibt, fordert mich heraus. Mich meinen eigenen Gegenpolen stellen, zurücktreten, aus der Bewegung gehen und Geschwindigkeit herausnehmen fällt mir nicht leicht. Aber ich finde es wichtig, zunächst in mir selbst, in meinem Leben die „Radikale Balance“ zu finden. Mit äußeren Gegenpolen kann ich leichter umgehen. Mit andern kann ich in einen Dialog treten. Aber ist Dialog mit anderen wirklich die Suche nach „Radikaler Balance“ oder nicht eher das Einigen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner? Ich arbeite viel mit Menschen aus anderen Ländern, auch mit Geflüchteten. Am Anfang versucht man, Vertrautheit zu finden. Man merkt jedoch, dass das Fremde immer fremd ist. Wenn Menschen aus vollkommen anderen Umständen kommen und ein ganz anderes Leben führten, merkt man, dass es keinen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt; außer dem Menschsein vielleicht und das man gerne isst. Ich lerne im Umgang mit Menschen, die aus einer komplett anderen Situation wie der meinen kommen, dass Fremde zu lieben. Nicht Vertrautsein suchen, sondern spüren, dass das Fremde fremd bleiben muss, führt zu vollkommen neuen Beziehungen.
Ich versuche weg zu kommen von einem kleinsten gemeinsamen Nenner, denn dann würde das Leben sehr arm. Vielfalt: kreative Lösungen finden Abb. oben: © Rawpixel.com / fotolia Abb. Mitte: © Trueffelpix / fotolia
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