Wie Liberale, Evangelikale und Charismatiker gemeinsam Kirche bauen können
Der trinitarische Kompass als Lesebrille für kircheninterne Konflikte

(Pfarrerin Birgit Dierks)
 

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Zwischen liberalen, evangelikalen und charismatischen Christen ist die Zusammenarbeit und das Verhältnis zueinander oft konfliktbeladen und damit kräfteraubend. Dass Christen gemeinsam an einem Strang ziehen und Kirche als Leib Jesu Christi in dieser Welt bauen geschieht selten „natürlich“ und leicht.

Wie kann man die Herausforderung meistern, bei unterschiedlichen Bekenntnislagen, Lehrmeinungen oder gegenseitigen Vorbehalten innerhalb einer Kirche gemeinsam den Gemeindeaufbau voranzubringen und damit das Gemeindewachstum zu fördern und nicht zu behindern?

Hier wird Ihnen eine „Lesehilfe“ für den Konflikt zwischen liberal, evangelikal und charismatisch orientierten Christen vorgestellt: der trinitarische Kompass.  Christian A. Schwarz hat damit ein neues Paradigma auf den Punkt gebracht. Durch ihn können Auseinandersetzungen wie durch eine neue Brille betrachtet und verstanden werden. Das unterstützt das sachliche Gespräch darüber und kann die Zusammenarbeit erheblich erleichtern, weil der Ansatz integrativ angelegt ist.

1. Der Trinitarische Kompass als Lesebrille für kircheninterne Konflikte

Trinitarischen Glauben erleben - Der dreifarbige Kompass

Das Thema „Trinität“ ist für viele ein theologisches Kapitel mit sieben Siegeln. Christian A. Schwarz hat einen Weg gefunden, „Trinität“ so zu erklären, dass jeder verstehen kann, was gemeint ist. „Trinität“ meint, dass Gott sich uns auf dreierlei Weise offenbart hat und wir ihn ebenso dreifach erleben und auf ganz unterschiedliche Weise die Beziehung zu ihm leben können. Zur Veranschaulichung benutzt er einen Vergleichspunkt aus dem Bereich der Physik, nämlich das weiße Licht, das sich optisch aus den drei Primärfarben grün, rot und blau zusammensetzt. So wie wir Licht je nach Brechung und Filter ganz unterschiedlich erleben können, erleben wir auch Gott auf dreifache Weise. Er hat sich uns offenbart als Schöpfer, durch Jesus und durch den Geist.

Das Bild ist klar: es gibt drei Arten, Gott zu erleben, aber es handelt sich immer um den gleichen Gott.

Für Theologen sei angemerkt: Christian A. Schwarz interpretiert Trinität als Erlebniskategorie.

Die klassische Trinitätslehre war eine rein philosophische Denkkategorie: Gott als eine Substanz, die sich aus drei Personen zusammensetzt. Sie wollte die Frage nach der Beziehung der drei göttlichen „Personen“ untereinander klären. Damit wurde die Trinität aus der existentiellen Beziehungsebene zum Menschen herausgelöst. Schwarz findet, dass die klassische Begrifflichkeit heute mehr Verwirrung stiftet, weil ein heutiger Personen- und Substanzbegriff völlig anders verstanden wird. Die Gefahr liegt in einer Zerteilung Gottes, also in der Reduzierung auf eine „Person“ bzw. eine Weise, ihn zu erleben. Das Ergebnis ist Einfarbigkeit und damit eine  unvollständige Gotteserfahrung und -beziehung.

Diese Reduzierung verhindert, dass Gottes Licht durch uns hindurch möglichst in allen Spektren in unsere Umwelt strahlt und leuchtet, damit auch andere Gott in seiner Fülle erleben und von seiner Liebe erreicht und angesteckt werden.

Einfarbigkeit und Segmentierung

In der „Einfarbigkeit“ sieht Schwarz eine Parallele zur Segmentierung der Christenheit und eine Ursache für vielfältige Selbstblockierungen, die die Kirche bis heute prägen. Diese verhindern einen gesunden Gemeindeaufbau aus der Kraft Gottes heraus.

Wie sehen diese Segmente aus?

In der weltweiten Christenheit haben sich drei große Gruppen, bzw. Richtungen unter Christen herausgebildet, die als „Liberale, Evangelikale und Charismatiker“ bezeichnet werden, bzw. die sich teilweise auch selbst so nennen.
Positiv verstanden, kann man jede dieser Richtungen als Anwalt einer der drei Offenbarungsweisen Gottes verstehen.
Jeder dieser drei Begriffe umreißt ebenfalls zentrale biblische Anliegen.

Liberal: Anwalt der Schöpfungsoffenbarung

Das Wort „liber“ bedeutet „frei“ und steht für das biblische Motiv der Befreiung.
Hier stehen Themen im Vordergrund wie „Bewahrung der Schöpfung, Friede und Gerechtigkeit. Betont wird die politische Dimension des christlichen Glaubens, aber auch Themen wie Kunst, Liturgie und Wissenschaft.

Evangelikal: Anwalt der Heilsoffenbarung

Das Wort „evangelikal“ leitet sich ab vom Wort „Evangelium“, d.h. „die gute Nachricht“.
Hier steht die persönliche Beziehung zu Jesus im Vordergrund und das Thema „Evangelisation“.

Charismatisch: Anwalt der persönlichen Offenbarung

Das Wort „charismatisch“ geht auf den Begriff „Charis“ zurück, d.h. Gnade.
Hier geht es um das reale Erleben der Kraft des Heiligen Geistes, nicht nur als Denkkategorie, sondern als lebensverändernde Macht. Das ist hier das zentrale Anliegen.

Das Vorhandensein dieser verschiedenen Gruppierungen ist also noch nicht das Problem. Konflikte und Blockierungen in Bezug auf den Gemeindeaufbau entstehen dann, wenn innerhalb des Farbspektrums Segmentierungen geschaffen, voneinander isoliert und die Anliegen gegeneinander ausgespielt werden. Dies kann zur Entstehung von Irrlehren führen, die keine biblische Grundlage mehr haben und von der Mitte wegführen.

Das Entstehen von Irrlehren

Das Entstehen von Irrlehre kann man innerhalb dieser Grafik in zweifacher Hinsicht interpretieren. Entweder wird die Grenze zwischen Wahrheit und Irrtum zwischen den einzelnen Farbbereichen gezogen. Dann würde man z.B. alles Rote, ganz gleich, ob lebendige Jesus-Frömmigkeit oder Dogmatismus für richtig halten und alles Grüne, ganz gleich ob biblisch orientiert oder synkretistisch für falsch halten.

Diese Haltung liegt vor, wenn die Begriffe "liberal", "evangelikal" und "charismatisch" undifferenziert und verallgemeinernd benutzt werden, um sich abzugrenzen, oder sogar als Schimpfworte.

Als zweite und differenziertere Möglichkeit kann man die Grenze als durch den schwarzen Kreis markiert sehen, der das Zentrum umschließt.
Die drei hellen Farbtöne innerhalb stellen dann folglich die biblische Position dar, während alle drei dunklen Farben außerhalb als Irrlehren zu betrachten sind.

Wenn man von einem dreieinigen, trinitarischen Gott ausgeht, liegt es nahe, der zweiten Interpretation zu folgen. Dieser Ansatz besitzt integrativen Charakter. In ihm gehören die drei Arten, Gott begegnen zu können, zusammen.

Das Ziel ist es, sich selber von seiner Position aus weiter in Richtung Zentrum, hin zur Fülle Gottes, zu bewegen und qualitativ zu wachsen durch Erweiterung des eigenen Spektrums.
Wenn man also seinen Schwerpunkt im roten „evangelikalen“ Bereich hat, kann man dann sein Spektrum erweitern, in dem man sich auch im Bereich „Schöpfung und Gerechtigkeit“ bewegt und engagiert, bzw. einen eigenen Zugang zum Wirken des Heiligen Geistes im persönlichen Bereich findet.

Die integrative Kraft des trinitarischen Kompasses

Der trinitarische Kompass wird diesen Namen gerecht, weil er für die Bestimmung der eigenen und fremder Positionen Orientierung gibt. Er macht dadurch Konflikte und unterschiedliche Positionen verstehbar und fördert den Austausch und die Sprachfähigkeit. Er ermöglicht ein sachliches gemeinsames Arbeiten und das Lernen voneinander. Durch die Arbeit mit dem trinitarischen Kompass kann jeder Christ seine Gottesbeziehung vertiefen und erweitern durch gegenseitige Ergänzung.
 

2. Leitlinien, um einen Paradigmenwechsel zu fördern im Konflikt zwischen liberal, evangelikal und charismatisch orientierten Christen

Was kann man ganz konkret tun, um Verständigungsprozesse zu fördern?

  1. Bleiben Sie bei sich und erweitern Sie ihren eigenen Horizont und die Perspektive Ihres Denkmodells
  2. Vom Andersdenkenden als Gegenüber lernen
    Üben Sie sich darin, die „Brille“ Ihres Gegenübers aufzusetzen, um dessen Position besser verstehen zu können. Jeder Mensch, mag er in unsern Augen noch so sehr eine Irrlehre vertreten, hat etwas zu bieten, von dem Sie lernen können.
  3. Konflikte begrüßen und als Gelegenheit zum gemeinsamen Lernen nutzen
  4. Gegenpole stärken: Anstatt Irrlehren aktiv zu bekämpfen und damit viel Kraft intern zu investieren, stärken Sie die jeweiligen Gegenpole.

Dies könnte ein Beitrag zur einer Reformation sein, die dort geschieht, wo die Zerteilung Gottes aufhört, wo Christen zusammenfinden und wo unsere Gotteserfahrung ganz wird.
Mit dieser Haltung und diesem Verständnis können Liberale, Evangelikale und Charismatiker  „ganz natürlich“ gemeinsam Kirche bauen und ihre Energie für einen fruchtbaren Veränderungsprozess nutzen!

 

Weiterführende Literatur:

Chrisitan A. Schwarz: Die dreifache Kunst Gott zu erleben
Christian A. Schwarz: Farben bekennen mit Natürlicher Gemeindeentwicklung

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